Kategorie: Kistchen

Verletzt, verloren

Die Besitzerin der Ferienwohnung ist von kleiner Gestalt, schwarze Kleidung, schwarze Stiefel „Und das ist das obere Schlafzimmer “ Ich schaue in ihr Gesicht und bin fassungslos: Wie aus dem Nichts sitzt plötzlich auf ihrer Wange eine schwarze Spinne. Sie erschrickt, fegt hastig mit der Hand übers Gesicht.Gekrümmt auf dem Teppich liegt die Spinne
Entsetzt , verletzt, verloren: die Spinne und das Gesicht.

Denkst du

manchmal zwischen Abwasch und Geschäftsterminen wie es war
als wir uns am Bahnhof trafen, letztes Jahr im Februar ?
Fragst du dich gelegentlich, ob ich noch an dich denken mag
allgemein und ganz speziell an jenen Wintertag

An das miese Essen in dem fürchterlichen Restaurant
wo ein Schnulzenschlagersänger Schnulzenschlager sang,
was mich überhaupt nicht störte, hab ich dir das je gesagt?
Nein, ich hab´s nicht zugegeben und du hast nicht gefragt

Wie auf unserm Weg entlang am Fluss ganz deutlich, wenn auch leis
eine Murmelstimme glucksend sang und als am Rand das Eis
wie geschliffne Klunker an den wintermüden Gräsern hing
überm Wasser funkelnd, als ein Sonnenstrahl sie fing

Als wir schweigend auf der Brücke vor uns auf das Wasser sahn
hielt da nicht für einen Augenblick etwas den Atem an ?
Kann es sein, dass du nicht weißt wie tief man in der Zeit versinkt
wenn das Schweigen überläuft bis man drin ertrinkt ?

Denkst du manchmal zwischen Abwasch und Geschäftsterminen wie es war
als wir uns am Bahnhof trafen, letztes Jahr im Februar ?
Fragst du dich gelegentlich, ob ich noch an dich denken mag
allgemein und ganz speziell an jenen Wintertag ?

An ein fernes Land

Ich bitte um das Leben einer Frau
deren Name auf einem Zettel
an meinem Bildschirm klebt.

Damen

Auf dem Markt: Sie wippen in durchsichtigem Kleidchen unter zu weiten Hüten beinah vorbei an den Wassermelonen.. Halt, stopp. Jetzt eine Drehung nach rechts, Sonnenbrille zur Nasenspitze schieben, dabei Kopf etwas nach unten neigen..Stummer Blick über die Sonnenbrille auf die Melonen. Mundwinkel nach unten. Brille zurück zur Nasenwurzel schieben. Kinn wieder hoch und: weiter wippen.Keine Melonen heute.

Im Zug (Notizen)

Ich steige in den Regionalzug Stralsund – Berlin
„Ist hier noch frei?“
Ich setzte mich ihm gegenüber.Er ist blond. Wilde Locken, jung.
Schläfrig sehe ich kurz vor dem Einnicken , wie er mit einem Messer einen Bleistift spitzt.
Als ich aufwache, zeichnet er..
Behutsam, als wäre es ein Grashalm, hält seine riesige Hand den Bleistift, schräg angelegt aufs Papier, zeichnet winzige Striche , eng aneinander gefügt – und da wächst ein Baum aus dem Nichts.Knorpelig, gewunden, reich an Blattwerk, tänzelnd und zugleich verwurzelt.
„Schön“ .
„Ja“, sagt er, „Bäume sind schön. Die brauchen wir.“- Schweigen- „Sind ja die Blumen der Erde.“
Dann zeichnet er weiter. Ich lausche dem Geräusch seines Bleistifts chrss-chrss…
In meinem Kopf bilde ich Fragen: Ob er nur Bäume zeichnet ? Ob er mir das kleine Bild verkaufen würde? Etwas hindert mich daran, es auszusprechen.
In Anklam steigt er aus.

Wenn man im Zug sitzt

Wenn man im Zug sitzt
hat man nichts zu tun.
Neben mir schreibt ein Mann auf ein Blatt:
To do, Freitag
Auf einem Blatt in meinem Kopf erscheinen Sätze:
Heute zu tun:
1.Schokolade essen, langsam
2.Den Mund halten, wenn ich nichts sagen will
3.Drei Minuten die Augen schließen und nichts müssen
4.Jemanden in den Arm nehmen

Schokoladenpapier

Gestern vergeblich nach Reimen gesucht, der Frust hat mich eine Schokolade gekostet.
Alles Grübeln umsonst.
Doch heut morgen, kurz nach vier, in der dunklen Frühe kamen auf einmal die Worte .
Sie purzelten über mich her, kullerten wie ein Sack Rüben auf einer hölzernen Schütte,
so unerwartet zahlreich, mehr als man tragen kann.
Schnell zum Schreibtisch, einen Stift und schnell ein Papier,ja,ja,hier ist eins !
Ich notiere die Verse und lache:
Ich schreibe auf Schokoladenpapier.

Katze

Die Fenster bleiben ungeputzt und
im Anrufbeantqworter stapeln sich Stimmen.
Alles lässt sich ignorieren um zu Schreiben,
doch niemals diese Katze hier auf meinem Schoß.

So viel, so viele

So viele Gesichter, ihre Stimmen und Augen und in  jedem Blick eine eigene Welt.
Schwerer Reichtum ist das bisweilen, ich schleppe sackweise Menschen Nachhaus..und so vieles ist noch nicht zu Ende gedacht und schon wieder wird der Koffer gepackt…schon wieder so viel, so viele…

SchwerMut

Was Gewicht hat, wird fallen:
Die schweren Gedanken,
der schwere Körper
und eines Tages
die Schwerkraft selbst.